(Gekürzter Auszug aus Examensarbeit von
1997)
Die Weimarer Zeit
Der Jazz hielt aufgrund des Ersten Weltkrieges
und der wirtschaftlichen Blockade der Siegermächte erst 1919 seinen
Einzug in Deutschland. Vor allem die große Tanzwut der Nachkriegszeit
- Ausdruck einer aufgrund der in der Kriegszeit erlittenen Entbehrungen
verbreiteten Vergnügungssucht - förderte den Jazz.
Der Jazz breitete sich in den Jahren
1919-1923 rasch aus. Aufgrund der verbreiteten Verwirrung um den Begriff
und das Wesen des Jazz war die Jazzmusik aber für viele Orchester
gleichbedeutend mit Lärm (und da Lärm ihrer Ansicht nach am besten
durch das Schlagzeug repräsentiert wurde, galt es daraufhin auch als
das wichtigstes Jazzinstrument, deshalb Bedeutung von Jazz = Schlagzeug).
Von einer Jazzband wurde daneben ähnlich wie in Amerika beim "nut
jazz" Clownerie, Stimmung und ungewöhnliche Instrumente wie zum Beispiel
Kuhglocken erwartet.
Anzeige einer Revue von 1925
1924 -1928 erreichte der Jazz in Deutschland
seinen Höhepunkt. Der bis dahin gespielte Jazz der frühen Jahre
wurde aber zunehmend als Irrweg und die neue Spielweise als Zähmung
des wilden Jazz und als Abkehr von der "Radaumusik" bezeichnet. Vorbild
war vor allem das Orchester Paul Whitemans mit seinem "symphonischen Jazz".
Der Jazzboom bis 1928 war so groß, daß auch außerhalb
des musikalischen Bereichs von einer Jazzmode gesprochen werden konnte.
Mit Beginn der Weltwirtschaftskrise Ende der
20er Jahre setzte auch eine weltweite Krise der Jazzmusik ein.
1933-1939
Der
Jazz, in seiner Spielweise Demokratie und Individualismus ausdrückend,
nichtarischen Ursprungs und ein Produkt der amerikanischen Lebensart, galt
bei den Nationalsozialisten als unerwünschte, "entartete Musik". Bis
1935 blieb der Jazz aber weitgehend unbehelligt (Goebbels Devise:
Überreden und Überzeugen durch Anti-Jazz-Propaganda statt Verbot).
Im deutschen Rundfunk wurde in einem gewissen Umfang sogar Jazz gespielt,
weil dieser, in populäre Tanzmusik eingebettet, dem Geschmack der
Mehrzahl der Hörer entsprach. Das Verbot von
Jazzmusik im Rundfunk von 1935, konnte daher auch nicht durchgesetzt
werden. Zudem war die NS-Definition von Jazzmusik derart "schwammig", so
dass eine Zuordnung eher willkürlich war.
Mitte der 30er Jahre bis Ende der 40er Jahre
begann ausgehend von Amerika die "Swing-Ära". Der Swing wurde in einer
Bigband nach Arrangements gespielten, was die freie Improvisation einschränkte
und afro-amerikanischen Elemente zurückdrängte. Dadurch war der
von Musikern wie Benny Goodman, Glenn Miller und Tommy Dorsey vertretene
Stil zunächst sogar von nationalsozialistischer Seite kurze Zeit als
gute
Tanzmusik toleriert worden und
galt als "kultivierter Überwinder des alten wilden Jazz". In vielen
deutschen Filmen wurde in Anpassung an den Publikumsgeschmack sogar ebenfalls
swingorientierte Musik gespielt, teilweise amerikanische Stücke sogar
offensichtlich plagiiert.
Höhepunkt der Swingwelle in Deutschland
war 1936 als bei der Olympiade in Berlin Weltoffenheit demonstriert werden
sollte und ausländische (und deutsche) Musiker bei Gastauftritten
Swing spielten.
1937 änderte die Regierung ihren relaxen
Kurs im Bereich der Musikpolitik. Es wurden Kontrollen durchgeführt,
die das Spielen der unerwünschten Musik unterbinden sollten. Da die
musikalischen Kriterien (flotteTanzmusik schon Jazz?) unzureichend waren,
wurde überwiegend nach rassistischen Kriterien vorgegangen. Nichtarische
Musiker, Komponisten, Texter und Sänger wurden aus dem Verkehr gezogen,
nicht aber der Jazz an sich. Bis zum Kriegsanfang blieb der Kampf des NS-Regimes
gegen die Jazz- und Swingmusik daher erfolglos. |
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Zwei Seiten Inhalt als Link am
Bild
Rückseite BRUNSWICK Swingmusikkatalog
1936,
("Swingmusik in der Adolf-Hitler-Str."
! )
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Ein beliebter Trick, um der Zensur
zu entgehen, war die "Eindeutschung"
englischer Titel.
Aus "Tiger Rag" wurde "Schwarzer
Panther" oder wie hier aus "Joseph! Joseph!" (ein Lied jüdischen Ursprungs)
"Sie will nicht Blumen und nicht Schokolade". |
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Hören Sie:
Sie will nicht Blumen
und nicht Schokolade
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Hören Sie:
Joseph ! Joseph !
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Zweiter Weltkrieg
Mit Beginn des Krieges änderte sich die
Situation. Das Hören ausländischer Rundfunksendungen (spielten
oft Swing) wurde verboten. Viele Orchester wurden aufgrund der Einberufung
ihrer Musiker zur Wehrmacht zur Auflösung gezwungen.
(NS-Propaganda, Anfang 40er Jahre)
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Hören Sie "Tran" und "Helle":
NS-Aufklärung zum Abhörverbot
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Unter diesen Umständen ist es um so verwunderlicher,
daß der Swing in der Kriegszeit nicht nur weiter existierte, sondern
bereits 1941-1943 einen erneuten Höhepunkt, eine Art "Swing-Revival",
erlebte. Denn nach dem Westfeldzug richteten die Nationalsozialisten ihr
Hauptaugenmerk auf die erfolgreichen Kriegsereignisse und vernachlässigten
die Kontrollen im kulturellen Sektor. So konnten ausländische Bands
aus den besetzten Gebieten, die zur Unterhaltung der Heimatfront dienten,
heiße, swingende Töne nach Deutschland bringen, an denen sich
auch die deutschen Bands zunehmend orientierten. Viele jazzige Nummern
wurden in das Plattenangebot eingeschmuggelt. Vor allem die Jugend war
von der Swingmusik begeistert.
Die schon 1940 einsetzende Verfolgung von swingbegeisterten
Jugendlichen konnten das "Swing-Revival"aber nicht verhindern, denn die
Bedürfnisse der Soldaten, die bei ihrem Heimaturlaub Entspannung bei
flotter Musik wollten, hatten Vorrang. Lediglich regional und lokal wurden
vereinzelt die Bestimmungen verschärft. Im August 1941 gab es sogar
fast ein konkretes Jazzverbot, welches hot- und swingorientierte Musik
im Original und als Imitation unterbinden sollte - allerdings wie schon
vor dem Krieg ohne Erfolg.
Mit der Wende im Kriegsgeschehen,
die im Juli 1944 zur nahezu völligen Schließung der Bars, Kinos,
der Theater und Varietés führte, wurden auch die Bedingungen
für den Jazz immer schwieriger. Dass die Swingmusik dennoch weiter
existierte, beweisen lokale Jazzverbote und Anti-Jazz-Propaganda bis zum
Ende des Krieges.
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"Der Rattenfänger
von Neuyork"
aus Illustrierter
Beobachter, 1944
(Artikel: 235 KB)
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Die Nationalsozialisten
setzten den Jazz für eigene Zwecke auf dem Kriegsschauplatz Rundfunk
im sogenannten "Ätherkrieg" ein. 1939 wurde z.B. Charlie & his
Orchestra gegründet. Das Programm bestand aus englischen und amerikanischen
Swingschlagern, wobei die dem Original ähnlich klingenden Texte Anti-Churchill-
/ -Roosevelt- / -Stalin-Propaganda, Antisemitismus sowie Anspielungen auf
die Kriegsereignisse enthielten.
Hören Sie:
Slumming on Park Avenue
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Text aus "Slumming
on Park Avenue" Charlie and
his Orchestra, März 1941
Let's go slumming, take me slumming,
Let's go slumming on Park Avenue.
Let us hide behind a pair of
fancy glasses
and make faces when a member
of the classes passes.
Let's go smelling where they're
dwelling,
sniffing everything the way
they do.
Let us go to it, let's do it
why can't we do it too.
Let's go slumming, nose-thumbing
on Park Avenue.
Here is the latest song of the
British airmen:
Let's go bombing, oh, let's
go bombing,
just like good old British airmen
do.
Let us bomb the Frenchmen who
were
once our allies!
England fights for liberty,
we make them realize,
from the skies.
Let's go shelling where they're
dwelling,
shelling Nanette, Fifi and Lulu.
Let us go to it, let's do it,
let's sink
their food-ships too.
Let's go bombing, it's becoming
quite the thing to do. |
Wir bieten Euch hier
zum Downloaden
(51KB, selbstextrahierende .exe Datei) den ausführlichen
Text zur Jazzentwicklung 1919-1945 in Deutschland an.
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